helle Vollholzbretter sind zu einem Haus-Rohbau zusammengebaut. Die Bodenbretter sind unfertige und scheinbar alte Planken, die Fensteraussparungen sind noch unbegradigt. Die Sonne durchflutet den Rohbau.

Seine Liebe gilt der Architektur und der Orts- und Landschaftspflege in seiner Heimat im Kanton Graubünden, Gemeinde Lumnezia, Schweiz. Seine Grundausbildung ist die des Schreiners. Nach Abschluss seiner Lehre begann er jedoch bald mit dem Studium der Architektur und arbeitet seit mittlerweile 35 Jahren in diesem seinem Traumberuf. Er liebt also das Baumaterial Holz, soviel ist sicher.

Er ist ein begeisterter Lernender und ein kreativ Schaffender im Absoluten und als seine Lebenseinstellung.

Gion A. Caminada (Jahrgang 1957) ist in Vrin geboren und wohnt seither an diesem abgelegenen Ort. Er pendelte viele Jahre nach Zürich, wo er an der ETH als Professor der Architektur 25 Jahre lang, bis 2021, unterrichtete. Herr Caminada hat sein kleines Heimatdorf in den letzten 35 Jahren architektonisch geprägt wie keine Andere.

Er will ‚Orte schaffen‚, . . . und aus dem gleichnamigen Vortrag von ihm (am 12.6.2021 im Rahmen des Seminars „Sacred Space – Zur Mystik sakraler Räume“ im Lassalle-Haus, Menzingen, Kanton Zug, Schweiz) bringe ich hier Auszüge seiner Ausführungen.

Auf das Dorf, „zuhinterst im Lugnez, einem Seitental im Bündner Oberland“ und seinen Architekten traf ich durch einen Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit N°49 v. 1.12.2022, S 38, Er weiß, was noch da ist, von Köbi Gantenbein.

Architektur muss drei Aufgaben erfüllen:

  • die Schaffung von Raum („Es ist wichtig, dass man den Raum spürt“)
  • die Integration des neuen Raumes in die Komposition des bereits Gegebenen
  • die Präsenz, das Ineinandergreifen von verschiedenen Dingen
Das obere Stockwerk dieses Hauses ist aus Holz, das Erdgeschoss mit nur einem kleinen Fenster ist aus Stein. Nebenan steht ein herkömmlicheres Holzhaus mit Terrasse. Wiese mit Steinen rundherum. Links ein kleines Stück alten Drahtzaun und blauer Himme.

Eine Architektin hat zu bauen. Sie ist dabei geprägt von ihrer Heimatgemeinde und von Begegnungen mit Menschen, Tieren, Orten, Landschaften, geprägt von all ihren Erfahrungen.

Sein Anspruch ist es, „eine Architektur zu machen“, die weniger von der Sachlichkeit getragen wird, als vielmehr von Geschehnissen und Ereignissen.

Erst wenn man in kleinen EInheiten denkt ist man fähig dazu, Verantwortung zu übernehmen. Das Überschaubare ist extrem wichtig („man kann nicht verantwortlich sein für die ganze Welt“).

Mit Konzentration auf die eigene Stärke (das was man mit Freude und gut macht), so sollte Jede Einzelne von uns auf die Welt zugehen. Mein ureigenes Talent definiert mich in Abgrenzung zu der Anderen, bildet meine Differenz (= ‚Unterscheidbarkeit‘ nach Luhmann).

Neben der Differenz nach aussen gibt es „diese Indifferenz nach innen“. Die Indifferenz ist die geistige Freiheit im Inneren. Das heisst man muss einen Diskurs austragen können ohne dass man verurteilt wird.

Jede hat ein Recht auf ihre eigene – unterschiedliche – Meinung/Sichtweise.

„Schiller hat gesagt, der Mensch spielt nur wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist. Und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Es geht immer darum zu prüfen, was deine Idee einer Gemeinschaft bringt. Wer kann davon profitieren?

„Als Architekt muss ich immer ein bisschen provozieren*. Aber am Schluss muss ich Alles zurücknehmen und muss sagen ‚Nein, du bist der Beste‘ „. Als Architektin sei man halt immer auch ein bisschen eine ‚Verführerin‘, so er.

  • Als Beispiel, das er nennt: „Was ist das Gemeinsame zwischen Wolf und Bauern. …. Beide töten Schafe.“ – so weiß Herr Caminada die Vrinerinnen zum Denken anzuregen.

Über die Abwanderung der Menschen aus Vrin: „Es ist ein Privileg an einem Ort wohnen zu können, wo Keiner wohnen w i l l!“ – Das habe sich aber verändert durch die Pandemie, so er. Erstaunlich, wie schnell sich manchmal die Welt zu verändern imstande ist. Auf einmal gibt es jetzt eine Gegenbewegung und mehr Menschen zieht es wieder in die Brache.

Herr Caminada liebt eine selbstverständliche Art im Umgang mit alt und neu (Alt-Neu-Kontrast). Mit Typischem (Typologien) zu arbeiten heisst: das Erkennbare aufrechterhalten. Damit Vrin Vrin bleibt. Damit das, was sich baulich bewährt hat, homogen mit Neuem verschmilzt.

Es geht um das Gestalten der Beziehung von Drinnen und Draußen

in Vrin direkt gilt die Metapher ‚Der Bauer bleibt im Dorf‘. Herr Caminada baute:

  • das Dorfgasthaus,
  • verschiedene Bauernhäuser,
  • Viehställe (Ziegen),
  • Totenstube (Aufbahrungsraum für Verstorbene),
  • Metzgerei für Direktvermarktung,
  • Sägerei (damit sie ihr beim Bauen verwendetes Holz selbst zuschneiden können)
  • das Gemeindehaus wurde fusioniert (die eine Haushälfte ist die ursprüngliche alte, die andere Hälfte ist angefügt und neu. Die beiden Hälften unterscheiden sich auf den schnellen Blick nur durch die Helligkeit des Holzes => Alt-Neu-Kontrast),
  • die Turn- Merzweckhalle (gefällt mir besonders gut; Baubilder findest du, wenn du im link ganz runterscrollst)

In der näheren Umgebung baute er die Terrihütte aus (Nach dem jüngsten Umbau vom Architekt Gion A. Caminada im Jahr 2007 erscheint die Hütte als massiver Steinbau. Darin steht jedoch ein Holzbau.), ein Mädchen-Internat des Klosters Disentis und einen Turm im Tierpark Goldau, ein Beispiel für Heterotopie.

„Architektur muss funktionieren (also die Bauwerke müssen ihren Zweck erfüllen). Wenn sie nicht funktioniert, hat sie keine Chance, da kann sie noch so schön sein.“

Das ist Architektur, die etwas kann!: Heterotopie (siehe im folgenden Video ab Minute 2 für 45 sec.)

Es gibt verschiedene Wirklichkeiten. Es gibt verschiedene Vorstellungen von Wirklichkeit. All diese Dinge faszinieren ihn und fließen in seine Arbeit ein.

Als Beispiel die Städterin versus der Dorfbewohnerin: „Die Bäuerin geht auf den Berg nur weil sie dort etwas zu tun hat. Die Bäuerin geht nie auf den Berg aus Spass. Das ist der Unterschied zur Touristin.“ Sagt es und lacht versöhnlich und regt gleichzeitig zum Schmunzeln an.

Wirklichkeit ist nicht die Realität, Wirklichkeit ist Potentialität. Herr Caminada bezieht sich dabei auf die Aussage vom Physiker Hans-Peter Dürr.

„Mit Freiheit umzugehen ist gar nicht so einfach. Viele sagen auch, man muss sich doch lösen, dann ist man frei. Und ich glaube, ich brauche Bindung und ich brauche Beziehung, und mit Beziehung bin ich viel freier! Ich weiß, wenn ich in Not bin gibt es Leute, die zu mir halten, die mir helfen. Das ist Freiheit.“

„Lokales Bauen ist Nähe gewinnen zu den Dingen.“

Erhabenheit bedeutet, dass Etwas schön u n d gefährlich zugleich ist.

Eine kleine Kerbe im Holz ist für Herrn Caminada „höchste Poetik“. –>> Ich muss ihn lieben!

Es geht ihm darum, dass man „die Sinnlichkeit spüren kann. Die Sinnlichkeit der Wärme, des Lichts, der Materialität, der Akustik.“

Im nächsten Video findest du Bilder der ganzen Bandbreite seiner Arbeit, gezeigt während eines Vortrages (der auf französisch simultan übersetzt wird). Zu grossartig, um sie zu übergehen. Muss sein:

Dazupassende Beiträge sind ‚ Jeder Tropfen zählt ‚ und ‚ ‚Langsam‘ als Qualität ‚.