
„Ich teile meine Lebensgeschichte mit dir.“ Das ist das Motto der ‚Human Library‚ , der Bibliothek, in der es Menschen statt Bücher gibt. Ronni Abergel aus Kopenhagen, Dänemark, hatte die erste im Jahr 2000 in seiner Stadt gegründet und jetzt, 22 Jahre später, hat sich diese Idee bereits in weiteren 80 Ländern verbreitet. Von München bis Tokio, von Bangladesh bis Sidney.
Jede Leserin sucht sich beim Bibliotheksbesuch Themen aus, die sie interessieren – von Rugby bis Depression, vom Leid der Rohingya bis zum Alltag einer Stripperin.
Mit dem Thema wählt sie einen Menschen, der dieses repräsentiert. Sie verbringt dann eine vorher vereinbarte Zeit mit dieser Person, dieser gegenübersitzend, und darf in deren Leben ‚lesen‘ indem sie Fragen stellt. Fragen, je nachdem was sie interessiert an dem gewählten Thema.
Abergel sorgt sich sehr darum, dass teilnehmende Personen, die Bücher quasi, gut behandelt werden. Alle werden als Einstieg darin geschult, Grenzen zu setzen und bei respektlosen Fragen zu kontern. Sie können sich auch jederzeit zurückziehen, wenn es ihnen zuviel wird.
Geschulte »Bibliothekarinnen«, inzwischen 25 Festangestellte und unzählige Freiwillige, sprechen mit »Leserinnen« und »Büchern« und schreiten ein, wenn eine Leserin respektlos wird. Eine geschulte Psychologin steht rund um die Uhr zur Verfügung, wenn eine Gesprächspartnerin eine Unterhaltung nochmal nach Bibliotheksschluss verdauen muss.
Herr Abergel erklärt: „Wir neigen dazu, uns mit Leuten zu umgeben, die die gleichen Interessen haben wie wir und also so ähnlich sind wie wir.“
Sobald wir aber auch die uns Fremden (fremd von Herkunft, von Aussehen, Interessen und Fähigkeiten, usw.) näher kennenlernen, merken wir, dass neben dem Trennenden ein größerer Anteil an Gemeinsamkeiten sichtbar wird.
Er nennt eine jede dieser Human Libraries eine „Social Learning Plattform“ – eine Plattform für soziales Lernen. Voneinander, füreinander, und gegen Vorurteile.
Die Idee der Human Library ruft nicht dazu auf n i c h t zu urteilen, sondern will neugierig darauf machen, die eigenen Vorurteile (oder auch Glaubenssätze) immer wieder auch zu überprüfen.
Die Vielfältigkeit unserer menschlichen Lebensumstände kann uns als Gemeinschaft stärken. Stark macht sie uns aber nur dann, wenn wir diese Verschiedenheiten wertzuschätzen lernen.
Urteile nicht, sondern bemühe dich, deine Vorurteile durch Hintergrundwissen und Begegnung zu differenzieren.
Eine Human Library ist die Gelegenheit, den Menschengruppen eine Stimme zu geben, die normalerweise in unserer Gesellschaft nicht gehört werden.
Komm zu einem Treffen und schau nach dem Angebot. Es kann eine Schizophrenie-Betroffene, eine Obdachlose, eine HIV-Kranke, eine blinde Person zum Beispiel hier sein, die sich je bereit erklärt, deine Fragen nach ihrem Leben zu beantworten.
So lernst du über sie und sie über dich, beziehungsweise über die Vorstellungen, wessen derer sie gesellschaftlich ignoriert wird.
Don’t judge a book by its cover. Das Motto der Human Library in Schottland, Edinburg, wie im nächsten Video beschrieben.
Hier lerne ich von Katy Jon Went, einer equality-activist, einer Gleichberechtigungs-Aktivistin. Was es nicht alles Gutes gibt! 😉
Die Message lautet: auch wenn das Gegenüber noch so sehr unterschiedlich zu einem selbst ist, im Miteinander-Reden über das Leben findet man immer auch viel Verbindendes, Gemeinsames.
Das Verständnis füreinander – über alle Unterschiede hinweg – entsteht.
Wir lernen voneinander – schlicht und ergreifend immer und überall! Diese Tatsache ist d a s Erfolgsrezept unserer Spezies schlechthin.
In einer Zeit, in der immer weniger in Büchern gelesen wird, besticht die Idee, dass wir in menschlichen ‚Büchern‘ zu lesen beginnen.
Jede einzelne Lebensgeschichte ist einzigartig und voll der Inspiration für die eigene Sinnsuche. Jedes gelebte Leben gibt dir Zuversicht, dein eigenes Leben – auf dich selbst zugeschnitten – erfolgreich leben zu können.
Jede der Menschen-Bücher will ihren persönlichen Lebensaspekt lehren und ihren Leserinnen (= Zuhörerinnen, sie Fragenden) mit ihrem Beispiel Mut machen.
Der dazupassende Beitrag: ‚Was uns verbindet‚.
Ein toller Beitrag. Ich habe mich beim Durchlesen und beim Ansehen des Videos dabei ertappt, dass ich (doch nicht so) vorurteilsfrei lebe. Mein Mehrwert dieser Erkenntnis: mehr Akzeptanz – auch für jene Entscheidungen, die ich selbst für mich nie treffen würde. Akzeptanz – und zwar OHNE anschließender Wertung (und vorangegangener Fragestellungen an sich selbst, die zu dieser Wertung geführt hat). Einfach mal zuhören und beobachten. Voneinander lernen. Aber zumindest Verständnis zeigen, ohne dabei zu (be)urteilen.
Danke für dein Feedback. Tolle Idee so eine Human Library!