die Fahne von Rojava

Durch den Standard-„Kultur“Artikel vom 2./3. März 2019 bin ich auf das Theaterstück „Rojava“ des Wiener Autors Ibrahim Amir auf der großen Bühne des Volkstheaters aufmerksam geworden, … am 17.3. hab ich es mir angeschaut und kann es wärmstens empfehlen! …. und darüber hinaus:

Rojava ist ein autonomes Gebiet entlang der türkischen Grenze in Nordsyrien. Als die syrische Regierung 2011 die Kontrolle über das hauptsächlich von Kurden bewohnte Gebiet verlor, wurde dort die ‚Demokratische Föderation Nordsyrien‚, kurz Rojava, errichtet. Eine selbstverwaltete Zone wo ethnische Differenzen anerkannt und respektiert werden, Männer und Frauen gleichgestellt sind und jede Stimme zählt. Ein fortschrittlicher, wenn auch gewagter Versuch.

Im Theaterstück geht Hr. Amir auf die Unterschiede zwischen schöner Visionen und der schnöden Wirklichkeit, zwischen der forsch behaupteten Geschlechtergerechtigkeit und der gelebten, von durch Traditionen überfrachteten Beziehungsmodellen ein.

Und dennoch! Der ernsthafte Versuch steht f ü r das Werk!

Ich finde zuerst eine Doku vom renommierten Sender Arte, veröffentlicht im Jahr 2018, und bin sehr beeindruckt. Arte spricht von einer feministischen Revolution, da die Frauenrechte fix im Gesellschaftsvertrag verankert sind und Rojava mit eröffneten Frauenhäusern auch in der Praxis Bereitschaft zeigt, an faktischen Veränderungen der Geschlechterbeziehungen zu arbeiten.

Amtssprachen sind syrisch, arabisch und kurdisch, die parlamentarische Frauenquote ist mit mehr als 40% nachahmenswert.

eine muslimische selbstbewusst in die Kamera verhalten lächelnde junge Frau in Tarnanzug

Das Fach ‚Wissenschaft der Frauen‘, eine neue Gesellschaftslehre vom Standpunkt der Frauen aus betrachtet, wurde als eigener Lehrgang an der Universität eingeführt.

Durch ihre, in ihren Breiten erstmalig initiierte, gleichzeitig einhergehende ‚Ökorevolution‘ will Rojava eine autonome Narungsmittelversorgung aufbauen.
Die Föderation unterhält diplomatische Vertretungen in Moskau, in Stockholm, und seit Mai 2016 auch in Paris und Berlin. Ziel der Vertretungen ist es, die Öffentlichkeit über die Entwicklungen in Rojava zu informieren.

In der Weltjournal-Doku vom Mai 2020 höre ich weitere Details zur autonomen Provinz Rojava, die mich zum Staunen bringen:

  • „Die Kämpferinnen beriefen 1995 ihre erste nationale Frauenkonferenz ein.“ und
  • „Erst wenn Männer und Frauen einmal wirklich frei leben und die gleichen Chancen haben, erst dann kann ich von Liebe sprechen.“
  • „Eines der obersten Prinzipien ist die Gleichstellung der Geschlechter“,
  • „Im Parlament sind gleich viele Sitze für Männer und Frauen reserviert“,
  • Sämtliche Führungsstellen in Politik und Verwaltung werden gemeinschaftlich mit einem Mann und einer Frau besetzt.
  • „Sie bringen die Männer freiwillig dazu am Abbau ihrer „typischen männlichen Dominanz“ zu arbeiten.“
  • Wenn die Frauen nicht frei sind, kann auch die Gesellschaft nicht frei sein.“
  • „Alle sind aufgerufen an den regelmäßigen Selbstkritik-Seminaren teilzunehmen.“

Dieses Rojava zwischen Euphrat und Tigris ist ein ganz anderes Syrien, eine echte gesellschaftliche und politische Revolution. Einzigartig im mittleren Osten und leider von allen Seiten bedroht.